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VR

MEDICUS

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Europäischen Union (EU). So hat das aktuelle Eurobarometer

bei einer Befragung von rund 28.000 EU-Bürgern im Auftrag

der Europäischen Kommission ergeben, dass im Jahr 2014 nur

rund 5 % der EU-Bürger und lediglich 2 % der Deutschen eine

Behandlung in einem anderen Mitgliedstaat wahrgenommen

haben. Dabei sind Therapien, die ausschließlich im Ausland

verfügbar sind, das Hauptmotiv einer Auslandsbehandlung

(vgl. Abb. 1). Generell kommt für 46 % der EU-Bürger und

für 55 % der Deutschen nur eine Behandlung im Heimatland

in Frage. Als Gründe hierfür wurden mehrheitlich die Zufrie-

denheit mit der Versorgung im eigenen Land (55 %), der bes-

sere Komfort im Fall einer wohnortnahen Behandlung (49 %)

sowie Sprachbarrieren (27 %) genannt.

Im Vergleich zu vielen anderen Nationen befinden sich die

Deutschen hinsichtlich der Verfügbarkeit, Kostenübernahme

und Qualität der Behandlung (noch) in einer sehr komfor-

tablen Situation. Die Inanspruchnahme medizinischer Leis-

tungen im Ausland beschränkt sich deshalb überwiegend

auf Selbstzahlerleistungen (wie Schönheitsoperationen, Ge-

bisssanierungen etc.). Diese werden im Ausland oft deutlich

kostengünstiger angeboten. Da die fachliche Kompetenz der

ausländischen Ärzte jedoch meist nicht eindeutig überprüf-

bar ist, kann dies fatale Folgen haben. So ergab eine Um-

frage des Kontakt- und Informationsportals

estheticon.de

aus dem Jahr 2013 unter Mitgliedern der Vereinigung Deut-

scher Ästhetisch-Plastischer Chirurgen (VDÄPC), dass 70 %

der Befragten bereits deutsche Patienten nach einem äs-

thetisch-plastischen Eingriff im Ausland revidiert haben. Die

meisten misslungenen Eingriffe stammten von Medizinern

aus Tschechien, Polen und der Türkei. Probleme können sich

auch in Zusammenhang mit der Nachsorge sowie der Be-

treuung bei Komplikationen ergeben. Risiken bestehen um-

gekehrt ebenfalls für die deutschen Gesundheitsanbieter –

wenn auch in wirtschaftlicher Form. So mussten viele Kliniken

die Erfahrung machen, dass insbesondere bei Patienten aus

den arabischen Ländern die zuständigen staatlichen Institu-

tionen oft massive Probleme bei der Kostenübernahme an

den Tag legten. Mittlerweile bieten viele Kliniken deshalb ihre

Leistungen nur noch gegen Vorkasse an.

Wie sich der weltweite Wettbewerb um Medizintouristen

weiterentwickeln wird, bleibt spannend. Denn ausschlagge-

bend für die Marktentwicklungen sind nicht nur Kosten- und

Qualitätsgründe oder innovative Behandlungsverfahren, son-

dern auch politische Aspekte. So zeichnet sich beispielsweise

gegenwärtig aufgrund des Russland-Ukraine-Konflikts und

der damit verbundenen Rubel-Krise ein Rückgang bei den

russischen Patienten und damit der wichtigsten ausländi-

schen Klientel deutscher Kliniken ab.

International.

Patienten kommen aus Russland (ca. 11.000 stationäre und

16.000 ambulante Patienten). Annähernd ebenso viele Pati-

enten stammen aus den arabischen Ländern. Im internatio-

nalen Vergleich punktet Deutschland insbesondere durch die

hohe Spezialisierung und Qualität bei überschaubaren Kos-

ten. Grund ist, dass bei der Behandlung ausländischer Pati-

enten die gleichen Honorare (auf Basis von DRG und GOÄ)

anzusetzen sind wie für inländische. Höhere Preise für Medi-

zintouristen oder spezielle Zuschläge scheiden somit aus.

Beliebte Ziele von Gesundheitstouristen in Deutschland sind

beispielsweise Berlin, München und Heidelberg. Auch Nord-

rhein-Westfalen gilt als Anlaufstelle. Dank der Spezialisierung

der Region Bonn/Köln/Düsseldorf auf Medizintouristen und

der Unterstützung durch das von Land und EU geförderte

Projekt „Health Destination Rhineland“ stieg dort die Anzahl

stationärer internationaler Patienten im Jahr 2013 um 31,9 %.

Dabei verzeichnete Köln mit einer Zunahme um fast 51 % den

größten Anstieg. „Health Destination Rhineland“ beinhaltet

eine großangelegte Werbekampagne, die Auslandstouristen

unter anderem über gezielte mehrsprachige Informationen

zu medizinischen und touristischen Angeboten im Internet

sowie über eine hohe Präsenz auf Konferenzen, Messen im

In- und Ausland und Delegationsreisen erreichen soll. Der Ge-

sundheitstourismus wirkt sich förderlich auf den allgemeinen

Tourismus aus. Grund ist, dass Patienten insbesondere aus den

Arabischen Emiraten regelmäßig in Begleitung, teilweise mit

den gesamten Familien, anreisen. Die Familien verbringen oft

mehrere Wochen in Deutschland und nehmen neben Über-

nachtungsangeboten in Hotels und Pensionen auch die Shop-

ping-Möglichkeiten sowie die gastronomischen und touristi-

schen Angebote wahr. Sie tragen somit zur wirtschaftlichen

Stärkung der gesamten Region bei.

Während die Zahl der ausländischen Patienten in Deutsch-

land steigt, ist umgekehrt die Bereitschaft der Deutschen,

sich zwecks ärztlicher Behandlung in das Ausland zu bege-

ben, eher gering. Dies gilt auch für die anderen Länder der

Motive für eine Auslandsbehandlung

Kostengünstigere

Therapie

Geringere Wartezeit

auf einen Termin

Zugang zu einem renom-

mierten Spezialisten

Bessere Qualität

der Behandlung

Therapie nur im Aus-

land verfügbar

Quelle: Eurobarometer Grafik: REBMANN RESEARCH

80%

60%

40%

20%

0%

23 %

34 %

38 %

53 %

71 %